Impulsreferat von Michael Schels

zum World Cafe am Sa., 13.10.2007 in der Tafelhalle Nürnberg

Thema: Kultur und Unternehmen

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von leadventures und der kulturgilde,
als Leiter der Kulturgilde wurde ich gebeten, ein kurzes Impulsreferat zu halten, um Sie auf das anschließende Forum einzustimmen und auch, um einige Anregungen für die folgenden Gespräche zu geben.


Unser Thema, an dem wir gleich im Rahmen eines World Cafes in mehreren Gruppen arbeiten werden, lautet „Kultur und Wirtschaft“. Etwas konkreter: Es geht um Klein- und Mittelständische Unternehmen –kurz KMUs - und deren Beziehung zur Kultur. Ich möchte mich bei meinem Vortrag auf vier Punkte konzentrieren, die Sie dann nach Belieben mit Ihren Ideen und Vorstellungen weiter entwickeln und ausdifferenzieren können:

• Zuerst möchte ich die Beziehung von Kultur und KMUs im Allgemeinen thematisieren: Was haben beide miteinander zu tun?
• Danach möchte ich kurz darüber nachdenken, welche Erwartungen man als Unternehmer in die Kultur setzen kann und umgekehrt, welche Erwartungen seitens der Kultur an die Unternehmer gestellt werden.

• Der vorletzte Punkt wird dann einige Fragen aufwerfen, die mit Marketing und Kommunikation zu tun haben.
• Und abschließend möchte ich noch die Ökonomie der Aufmerksamkeit erwähnen und daraus abgeleitet zur Beachtung und Bewertung dessen kommen, was wir alle, die wir heute an diesem Ort versammelt sind, eigentlich tun.

(Impulsvortrag M. Schels, Foto: Thomas Kolb)

Beginnen wir also mit Punkt eins: Die Beziehung von Kultur und KMUs im Allgemeinen. Ich betone KMUs, da es hier nicht um Kultursponsoring gehen soll, wie es von Großunternehmen praktiziert wird. Wir beschäftigen uns heute nicht mit Riesen-Budgets und auch nicht mit der Förderung großer kultureller Einrichtungen oder Riesen-Events. Aber es geht doch ums Ganze, zumindest was die Entscheidung betrifft, sich überhaupt mit Kultur zu beschäftigen: Die Begegnung von Kultur und Wirtschaft ist keine Kleinigkeit, die man so nebenbei erledigt. Wer mit Kultur arbeiten will – und allein darum soll es uns hier gehen - der Kultur-Konsum interessiert uns an dieser Stelle nicht - wer also mit Kultur arbeiten will, muss sich im Klaren darüber sein, dass Kultur ein Bereich ist, der hohe Ansprüche stellt, wenn man ihn ernst nehmen will. Kultur ist für uns kein Hobby. Vielmehr wollen wir uns damit auseinandersetzen, was KMUs für die Kultur tun können und umgekehrt, was die Kultur den KMUs bringen kann.

Bevor wir mit dieser Frage weiter kommen, ein kleiner Exkurs zum Begriff Kultur: Dieses so leicht dahin gesprochene Wort umfasst das riesige Feld des kreativen und künstlerischen Schaffens – sei es im Bereich der bildenden Kunst, der Musik, des Schauspiels oder der Literatur. Aber auch Technik ist ein Teil der Kultur und das macht es schon wieder schwer, unseren Kulturbegriff richtig zu fassen. Der Philosoph Will Durant definiert Kultur ganz allgemein als eine soziale Ordnung, die schöpferische Tätigkeiten begünstigt. Gut, das hilft uns vielleicht ein wenig weiter: Kultur als Synonym für schöpferische Tätigkeiten.

Womit Kultur und Wirtschaft sich deutlich näher kommen, als wir es vor wenigen Minuten vielleicht noch vermutet hätten: Auch ein Unternehmer arbeitet schließlich schöpferisch. Laut Definition wird Kultur verstanden als Dreiklang von Kunst, Religion und Wissenschaft. Im engeren Sinne lassen sich die Bereiche Sprache, Ethik, sowie die Funktionen der Gesellschaft Religion, Kunst, Wirtschaft, Wissenschaft und Rechtsprechung unterordnen. Und dann gibt es auch noch die interkulturelle Kommunikation, die unter Kultur die Gesamtheit der von den Menschen miteinander geteilten Bedeutungen und Verhaltensweisen versteht.

Wir bewegen uns also auf einem riesigen Terrain und es ist nötig, dieses für unsere Zwecke zu komprimieren: Unter Kultur in unserem Sinne möchte ich alles verstehen, was von schöpferischen Menschen in künstlerischer Hinsicht geschaffen wird. Ich will deshalb im weiteren Verlauf eher von Kunst statt von Kultur reden, ohne jedoch alleine nur die Kunst zu meinen.

Ich weiß, das hört sich ein wenig verwirrend an, aber Verwirrung kann man auch positiv sehen, denn sie öffnet den Geist und inspiriert. Betrachten wir jetzt also ein wenig irritiert das Verhältnis von Kunst und KMUs:

Zurück zur eigentlichen Frage: Was haben KMUs und Kultur miteinander zu tun und warum sollten Sie überhaupt miteinander zu tun haben?
Ein KMU ist eine wirtschaftliche Einheit und Teil einer Kultur, wenigstens einer Lebenskultur - wenn es gut geht, sogar einer kultivierten. Viele Unternehmer sind auf ihr Geschäft jedoch so fokussiert, dass sie diesen Zusammenhang gar nicht wahrnehmen. Sie arbeiten professionell, quasi hochkultiviert am Gewinn, sehen sich aber im Wettbewerb gezwungen, ihren kulturellen Horizont auf ein Minimum zu beschränken. Dieser eingeschränkte Blick führt dazu, dass es heute - für einen Menschen, geschweige denn für einen Unternehmer- nicht mehr selbstverständlich ist, sich als Teil einer Kultur zu begreifen. Kultur ist zu einem Fremdwort geworden, das eher Kopfschmerzen als Begeisterung hervorruft. Und ganz schlimm wird es dann, wenn gar noch von einer Leitkultur die Rede ist, von der man nicht weiß, wen oder was diese aus welcher Position heraus überhaupt leiten soll.

Wir von der Kulturgilde wollen klar machen, dass KMUs mit Kultur mehr zu tun haben, als ihnen bewusst ist: Sie sind ein erheblicher Teil der Kultur, nehmen sich als solche aber viel zu wenig wahr. Dass es um unsere Kultur in vielen Bereichen so schlecht bestellt ist, liegt wohl daran, dass man heute meint, Kultur sei eine Sache von Spezialisten und es genüge, als kulturell bemühter Mensch hin und wieder ins Kino oder ins Theater zu gehen.

Daraus ergibt sich meine These zu Punkt eins: Kultur und KMUs haben sehr viel miteinander zu tun: Man kann als Unternehmer ab sofort nicht mehr sagen, Kultur brauche einen nicht zu interessieren. Ich behaupte: Wer diesen Standpunkt einnimmt, muss sich Ignoranz vorwerfen lassen. Aber Unternehmer haben ja bekanntlich eine dicke Haut und werden mit diesem Vorwurf leben können, befürchte ich.
Nun zum zweiten Punkt: Welche Erwartungen kann man als Unternehmer an die Kultur stellen und umgekehrt, welche Erwartungen werden seitens der Kultur an die Unternehmer gestellt.

Diese Frage relativiert sich etwas nach dem bisher gesagten. Meine Erwartungen an die Kultur sind im Grunde die Ansprüche, die ich an mich selbst stelle: Will ich bewusst mein Leben gestalten und Verantwortung über meine Existenzsicherung hinaus wahrnehmen, dann bin ich geradezu verpflichtet, kulturell tätig zu werden. Zur Kultur gehört eben auch die Ethik. Es soll ja sogar Sponsoren geben, die beispielsweise philosophische Kongresse unterstützen. Womit wir der Sache schon ein gutes Stück näher kommen: Kulturelles Engagement bedeutet immer eine echte Auseinandersetzung mit etwas. Insofern unterscheidet sich Kultursponsoring vom Sportsponsoring, das ja meist nicht viel mehr als medienwirksame Logo-Platzierung im öffentlichen Raum ist. Was erstmal ja nichts Schlechtes sein muss, da ja auch Sport im weitesten Sinne zur Kultur gehört und auch dieses Engagement auf jeden Fall seinen Wert und seinen Platz in der Gesellschaft hat. Wenngleich das Sponsoringaufkommen beim Sport wesentlich größer ist als bei der Kultur und sich die Frage stellt, ob nicht schon längst eine Stärkung des Kultursponsorings überfällig ist.

Noch einmal: Kultur in unserem Sinne ist alles, was von schöpferischen Menschen in künstlerischer Hinsicht geschaffen wird. Lassen Sie uns also schöpferisch sein. Versetzen wir uns in die Lage eines Kulturschaffenden, nehmen wir als Beispiel einen bildenden Künstler: Was erwartet dieser von einem Unternehmer? Künstler haben ähnliche Scheuklappen auf wie Unternehmer: Sie sehen diese oft nur als Geldgeber und wundern sich dann, wenn sie nicht die Unterstützung bekommen, die sie bräuchten. Fühlen Sie sich einmal ein – und stellen Sie sich vor, Sie wären ein Künstler, ein Maler beispielsweise. Sie widmen sich bedingungslos der Kunst mit dem Ziel, etwas Einzigartiges zu schaffen. Diese Aufgabe füllt Sie vollkommen aus und es kommt, wie es kommen muss: Sie vergessen bei der Kunstproduktion völlig, dass Sie ja auch von etwas leben müssen. Jetzt ist Ihr Atelier voll mit Kunstwerken, aber keiner weiß davon. Ihre Freunde bemeitleiden Sie, können Ihnen aber nicht wirklilch helfen, da sie sich Ihre Kunst nicht leisten können. Sie bräuchten jemand mit Geld. Mit richtig viel Geld. Doch den oder die kennen Sie nicht.

Und bei einer Galerie kommen Sie so schnell auch nicht unter. Das ist frustrierend! Und, glauben Sie mir – ich habe viel mit bildenden Künstlern zu tun: Dieser Fall ist die Regel! Bei Musikern sieht es oft nicht viel besser aus.

Die Erwartung eines Künstlers ist also bestimmt von dessen verengtem Blick: Er braucht dringend Geld und meint, dass Unternehmer ausschließlich dafür da sind, ihm dieses Geld zu geben. Auch hier wäre eine Korrektur wichtig und nötig: Wenn ich als Künstler auf Menschen zugehe und mich mit ihnen auseinander setze, werden Freundschaften enstehen. Und diese Freundschaften können eine Basis dafür sein, dass meine Kunst geschätzt wird und sich Chancen für mich auftun. Verallgemeinert bedeutet das: Die Erwartungen, die die Kultur an die Unternehmen stellt, ist nur vordergründig eine des Geldtransfers. In Wirklichkeit geht es auch auf dieser Seite um Dialog, um Auseinandersetzung und um das Bewusstsein dafür, dass wir alle in einem Boot sitzen. Wenn ich als Künstler bereit bin, den Unternehmer als Freund zu sehen, werde ich auch in die Lage versetzt, mit ihm auhentisch zu kommunizieren und die Anerkennung und Unterstützung zu finden, die ich benötige.

Wir haben jetzt festgestellt, dass sich Unternehmer und Künstler im Grunde sehr ähnlich sind, aus einer anderen Perspektive gesehen jedoch einander nicht fremder sein könnten. Man muss Brücken bauen, damit sie sich näher kommen. Welche Möglichkeiten gibt es dafür?

Mit dieser Frage sind wir beim vorletzten Punkt meines Impulsreferats angekommen, der Marketing und Kommunikation thematisiert: Wir von der Kulturgilde sind angetreten, um zwischen Kultur und Wirtschaft – und auch Politik – doch die lassen wir heute einmal beiseite - zu vermitteln. Diese Aufgabe verlangt eine professionelle Einstellung und einiges an Erfahrung. Denn man muss sowohl zielorientiert agieren als auch die Qualität einer Sache erkennen und herausarbeiten. Ästhetisches Vermögen und kalkuliertes Vorgehen müssen unter einen Hut gebracht werden. Welche strategischen Fragen tun sich beispielsweise auf, wenn ich ein Kunstprojekt mit einem Unternehmen zusammen bringen will? Ich muss ein inhaltliches Alleinstellungsmerkmal definieren. Dann muss ich Visionen und Ziele formulieren. Das Profil des Kulturprojektes muss herausgearbeitet und ein langfristiges Marketingkonzept sollte angelegt werden. Auch die Zielgruppe müssen definiert und die Kommunikationsmaßnahmen klar beschrieben werden.
Das sind nur einige Aspekte, aber Sie sehen: Sobald Kultur und Unternehmen miteinander in Berührung kommen, dreht sich plötzlich alles um die Kommunikation. Und die sollte man nicht dem Zufall überlassen, denn genau hier liegt nämlich die große Chance für alle Beteiligten: Die Begegnung eines Unternehmers mit einem Kulturschaffenden kann im Idealfall ein spannendes Ereignis werden, das für beide Seiten gewinnbringende Effekte erzeugt: Der Unternehmer präsentiert ein Kulturprojekt , das er zu schätzen gelernt hat und mit dessen Akteuren er vielleicht sogar freundschaflich verbunden ist. Und das Kulturprojekt erfährt durch die Begegnung mit dem Unternehmer die nötige Förderung, um überhaupt stattfinden zu können. Es ereignet sich etwas Neues, das für alle eine Bereicherung darstellt – und wenn es gut gemacht ist, wird es auch gebührend wahrgenommen werden. Die klassischen Ziele eines kulturfördernden Unternehmens können dann auch erreicht werden: Imagesteigerung, Erhöhung des Bekanntheitsgrades, Erschließung neuer Absatzmärkte, Erhöhung der Lebensqualität am Standort, Kundenbindung und Neukundengewinnung, Wettbewerbsvorsprung, Mitarbeitermotivation und Beziehungsmanagement. Das funktioniert natürlich nur, wenn man im Unternehmen der Kultur den Stellenwert einräumt, den sie verdient. Nur mal schnell ein paar Euro in ein Kultuprojekt stecken und dann meinen, man sei kurz darauf als Kulturförderer oder Mäzen hoch geachtet, das wäre eine fatale Fehleinschätzung.

Abschließend – wie angekündigt - ein paar Bemerkungen zur „Ökonomie der Aufmerksamkeit“. Im Zuge meiner Beschäftigung mit der Organisation und Kommunikation von Kunst- & Kulturprojekten bin ich kürzlich auf Georg Franck aufmerksam geworden. Er hat Philosophie, Architektur und Volkswirtschaftslehre studiert – eine interessante Kombination gerade in unserem heutigen Zusammenhang, finde ich. Georg Franck ist Professor für computergestützte Architektur an der Technischen Universität Wien. Von ihm stammt ein Buch mit dem Titel „Ökonomie der Aufmerksamkeit“. In den Zeiten des Information overloads definiert Franck Aufmerksamkeit als die neue Leitwährung, die das Geld ablösen wird. Unsere Aufmerksamkeit ist das Wertvollste, was wir geben können, aber gleichzeitig auch das Wichtigste, was wir von anderen Menschen erhalten können.

Daraus abgeleitet einige letzte Sätze zur Beachtung und Bewertung dessen, was wir alle, die wir heute an diesem Ort versammelt sind, eigentlich tun: Wir widmen unsere Aufmerksamkeit einer Veranstaltung, die mit Kultur und Wirtschaft zu tun hat. Es gibt dabei die verschiedensten Intentionen: Kontakte knüpfen, Meinungen austauschen, Informationen erhalten, aber auch Informationen geben. Es ist ein Geben und ein Nehmen zum Vorteil aller, hoffe ich.
Ich wünsche mir, dass Sie bei dem nun folgenden World Cafe viel einbringen, um im Gegenzug auch viel erfahren zu können. Ein paar Stichworte noch, um die Assoziationsmaschine in Ihren Köpfen zum Laufen zu bringen:

Kultur und Wirtschaft – ich verbinde damit:

Vernetzung
Austausch
Kommunikation
Imagegewinn
Dialog
Standortmarketing
Grenzüberschreitung
Innovation
Kreativität
Aufmerksamkeit
Partnerschaft
Motivation
Inspiration
Interesse
Bildung
Begegnung
Kooperation

Noch viele weitere Begriffe sind im Zusammenhang von Kultur und Wirtschaft denkbar und viele Ideen und Projekte können daraus entstehen.
Ich übergebe nun an Thomas Hintze, der Sie in das weitere Procedere des World Cafe einweist.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Keine Kommentare: